„Wenn das Universum einen Anfang hatte, können wir von der Annahme ausgehen, dass es durch einen Schöpfer geschaffen worden sei. Doch wenn das Universum wirklich völlig in sich selbst abgeschlossen ist, wenn es wirklich keine Grenze und keinen Rand hat, dann hätte es auch weder einen Anfang noch ein Ende; es würde einfach sein. Wo wäre dann noch Raum für einen Schöpfer?“ (aus: Stephen Hawking: Eine kurze Gesichte der Zeit).
Was vielleicht zuerst wie eine Kampfansage eines Atheisten an den Glauben an einem Schöpfergott wirkt, ist meiner Meinung nach eher die nüchterne Theorie über das Universum des Astrophysikers Stephen Hawking. Schließlich war es während einer Kosmologietagung 1981 im Vatikan, als Hawking das All als ein Phänomen darstellte, das einfach vorhanden ist und dementsprechend keines Schöpfergottes bedarf. Hawking bekam 1975 von Papst Paul VI. die Pius-XI.-Medaille verliehen und war seit 1986 Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Hawking war Atheist, aber seine wissenschaftliche Arbeit bestand ja nicht darin, zu erarbeiten, warum es einen Gott nicht geben kann, sondern er folgerte aus seiner Arbeit, dass Gott nicht der Ursprung allen seins ist: „Weil es ein Gesetz wie das der Schwerkraft gibt, kann und wird sich ein Universum selber aus dem Nichts erschaffen. […] Spontane Schöpfung ist der Grund, warum es statt des Nichts doch etwas gibt, warum das Universum existiert, warum wir existieren.“ (Physiker Hawking: Kein Gott nötig für Universum, aus Focus.de 02.09.2010).
Die Kosmologie steht erst einmal nicht im Gegensatz zum christlichen Glauben. Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel ist kein wissenschaftlicher Bericht, er will es auch gar nicht sein. Hier will sich der Schöpfer den Menschen vorstellen und gibt ihn direkt einen Leitfaden zum Leben mit: Der 7-Tage-Rhytmus für den Menschen hat sich bis heute gehalten – alle Versuche diesen zu ändern, scheiterten. Als Begründer der Urknalltheorie gilt übrigens der katholische Priester und Astrophysiker Georges Lemaître. Und die Päpstliche Akademie der Wissenschaften akzeptierte 1951 Lemaîtres Theorie. So sagte Papst Franziskus zu der Urknalltheorie 2014: „Der »Big-Bang«, der Urknall, den man heute an den Anfang der Welt setzt, steht nicht in Widerspruch zum göttlichen Schöpfungsplan, er verlangt nach ihm. Die Evolution in der Natur steht nicht im Kontrast zum Begriff Schöpfung, denn die Evolution setzt die Erschaffung der Wesen voraus, die sich entwickeln.“
Wir müssen auch bedenken, dass die Wissenschaft viele Theorien hervorbringt, die unterschiedlich interpretiert werden, sich ändern, wieder verschwinden oder sich auch über Jahrhunderte halten können, wie z. B. die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Aber sie bleiben so lange Theorie, bis sie ins Detail nachgewiesen werden können. Und so sind auch die Arbeiten von Stephen Hawking über die Erschaffung des Universums Theorien. Spontane Schöpfung aus dem Nichts muss man Glauben, man kann es nicht beweisen. An einem Schöpfergott, den es immer gab und immer geben wird, muss man ebenfalls glauben. Wenn es einen Schöpfer gibt, ist das Universum eine Dimension, die er geschaffen hat: Raum und Zeit, von der der Schöpfer unabhängig ist.
Durch Weltraumteleskope erreichen uns faszinierende Bilder aus dem Weltall. Bilder von Galaxien, Sternen und Nebel im Universum, von beeindruckender Schönheit. Gewaltig sind die Dimensionen innerhalb unseres Universums: Der Durchmesser unserer Sonne ist über 100 mal größer als unsere Erde, aber es gibt Sterne im Universum die mehr als 1.500 mal so groß wie unsere Sonne sind! Es gibt Galaxien, die über 10 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind. Daß heißt, deren Licht braucht bei einer Geschwindigkeit von 300.000 km pro Sekunde über 10 Milliarden Jahre, um bei uns einzutreffen. Auch wenn wir bisher keinerlei Grenzen des Universums erfassen können, ist es noch kein Beleg für seine Unendlichkeit. Die Ausdehnung des Universums zeigt seine Dynamik. Und das Licht von Sternen, die wir sehen, können teils schon Geschichte sein: Sterne fallen zusammen und erlöschen oder explodieren in einer Supernova. Hier zeigt sich auch die Endlichkeit innerhalb des Universums. Auch unsere Sonne ist endlich. Wenn ihr Brennstoff aufgebraucht ist (was noch Milliarden von Jahre dauern kann), wird kein Leben auf unserem Planeten mehr möglich sein.
Nicht wenige sind überzeugt, dass aufgrund der Größe auch anderswo im Universum Leben existieren muss. Sollte hinter dem Universum aber ein Schöpfer stehen, ist es möglich, dass er dieses Universum – und es mag auch nicht das Einzige sein – nur für seine Geschöpfe erschaffen hat, die dadurch eine Vorstellung von der Allmacht und Größe Ihres Schöpfers bekommen: So weit wir uns auch entwickeln, wir erreichen die Grenzen seiner Schöpfung nicht. Schon unser kleiner blauer Planet bietet mit seiner Landschaft, seiner Pflanzen- und Tierwelt so viel beeindruckendes für uns Menschen, dass es schon bei der Betrachtung schwer fällt, dies als eine spontane Schöpfung, als ein Zufallsprodukt abzutun.
Aber genau dies zeichnet auch die Freiheit von uns als Menschen aus: Das, was wir wahrnehmen, was wir erleben, was wir analysieren und berechnen: Den einen führt es zum Schöpfer hin, den anderen führt es vom Schöpfer weg. Unabhängig von der Intelligenz und Bildung: So findet man auch in der Wissenschaft gläubige und ungläubige Menschen, Menschen die durch Wissenschaft den Glauben verloren haben, Menschen die durch Wissenschaft zum Glauben gefunden haben.
Glaube oder Nichtglaube an einem Schöpfer beeinflusst auch die Arbeit des Wissenschaftlers. So äußerte sich Hawking in seinen letzten Lebensjahren auch über die Zukunft der Menschheit, über die Gefahren vom Ende seiner Existenz durch Viren, Kriege, Künstliche Intelligenz und Klimawandel. In diesen Zusammenhang sah er auch die Notwendigkeit, den Weltraum zu besiedeln, um das Aussterben der Menschen zu verhindern. Dabei war Hawking klar, dass dies noch Generationen dauern kann, bis die Menschheit soweit ist. Und einen Planeten, der uns vergleichbare Lebensbedingungen wie unsere Erde bieten kann, wurde trotz aller Erforschung des Universums bisher nicht gefunden.
Es ist interessant, das Bestreben von Stephen Hawking um den Erhalt der Menschheit zu sehen. Denn wenn er nicht an einem Schöpfer glaubt, wird er wohl auch nicht an einem Weiterleben nach dem Tod glauben. Mit der Menschheit würden zumindest seine Ideen, Theorien und Werke weiterleben und sich auch weiterentwickeln. Die Sorge, dass all dies umsonst gewesen sein soll und der Vernichtung preisgegeben ist, dürfte vielleicht auch einen Stephen Hawking umtrieben haben. So könnte der ganze Sinn, der sich aus dem kosmischen Zufall ergeben hat, wieder in sich zusammenfallen.
Der Glaube und das Vertrauen auf einem Schöpfer befreit von dieser Sorge: Unser Verhalten gegenüber Menschen, Tieren und der ganzen Schöpfung sollte geprägt sein in der Verantwortung vor dem Schöpfer. Es ist sein Werk, dass unser Leben ermöglicht. Diese Verantwortung soll unser Handeln bestimmen. All die Dinge, die sich unserem Einflußbereich entziehen, können wir getrost in die Hände des Schöpfers geben. Wenn wir Geschöpfe vom Schöpfer gewollt sind, dann wird er uns auch nicht einfach einen kosmischen Zufall überlassen.