Mut zum respektvollen Dialog – oder was wir Christen von Jesus lernen können.
Am vergangenen Sonntag (32. Sonntag im Jahreskreis) wurden in den katholischen Kirchen aus dem hl. Evangelium nach Lukas (Lk 20, 27-38) vorgelesen. Hierbei ging es um die Auseinandersetzung zwischen den Sadduzäern und Jesus bezüglich der Frage nach der Auferstehung von dem Toten. Hier muss man kurz einführen, dass die Sadduzäer eine Gruppe des Judentums waren, die nur die fünf Bücher Mose als religiöse Grundlage akzeptierten und nicht an einer Auferstehung von den Toten, quasi nicht an das Fortbestehen der menschlichen Seele glaubten.
Letzteres wollten sie gegenüber Jesus mit folgendem Gedankenkonstrukt untermauern: Es lebten sieben Brüder, der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Moses gebot in einem solchen Fall, dass dann der nächste Bruder die Frau dann ehelicht, um seinen Bruder Nachkommen zu verschaffen. Nun ging der Gedankengang der Sadduzäer so weit, dass jeder Bruder nach und nach die Frau nahm und jeweils kinderlos verstarb und zuletzt dann auch die Frau. Mit der Frage „Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt.“ will man vor Jesus den Glauben an der Auferstehung ad absurdum führen.
Ein solches realitätsfernes Konstrukt, welches die Sadduzäer vorgelegt haben, könnte man heute zweifellos als „Geschwurbel“ bezeichnen. Doch hat diese Bezeichnung gerade in letzter Zeit den Charakter, auch Meinungen damit herabzusetzen, die unbequem sind und nicht den gesellschaftlichen Mainstream entsprechen. Derjenige kann dann schnell das Prädikat „Schwurbler“ aufgedrückt bekommen.
Doch Jesus ging nicht den einfachen Weg, den wir oft gebrauchen, wenn wir eine Meinung oder Aussage hören, die uns nicht passt:
- Jesus hört zu und lässt sein Gegenüber ausreden
- Jesus verinnerlicht das Gesagte: Was ist dem Gegenüber wichtig, dass er diese Aussage trifft?
- Jesus reagiert sachlich, er vermeidet Dinge wie z. B. Ironie, die dem Gegenüber zeigen würden, dass er nicht ganz ernstzunehmen ist.
- Jesus geht auf die Quellen ein, die dem Gegenüber wichtig sind, in diesem Fall die Geschichte vom Dornbusch (2. Buch Mose 3,6).
Warum ist das heute so wichtig? Nicht selten hört man die Aussage, dass man ja nicht mehr alles sagen darf. Aber in unserem Land ist die Meinungsfreiheit noch ein Grundrecht. Doch sie nützt wenig, wenn der respektvolle Umgang damit fehlt. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie groß hier die Defizite sind. In den Meinungsdiskurs um die Corona-Maßnahmen sowie die Corona-Impfungen war nicht selten von „Coronaleugnern“ und „Impfgegnern“ die Rede. Dabei reichten nicht selten schon kritische Anmerkungen zu den getroffenen Maßnahmen, um als ein „Coronaleugner“ abgestempelt zu werden. Rückblickend müssen wir aber zugeben, dass die Verhältnismäßigkeit vom Nutzen und Schaden der Maßnahmen oft nicht gegeben war und manche Kritiken durchaus ihre Berechtigung hatten. Ebenfalls die Menschen, die nach eigener Abwägung sich gegen eine Impfung entschieden hatten, in die „Impfgegner“-Schublade zu packen: Wie viel gesellschaftlichen Schaden hat man dadurch angerichtet? Wie sehr hat man Solidarität bei der Impfung gefordert und – auch in kirchlichen Kreisen – Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen ließen, Ignoranz unterstellt. Im Nachhinein muss man fragen: Was hat die Impf-Solidarität gebracht und war die Ausgrenzung der Nicht-geimpften verhältnismäßig oder schon eher diskriminierend? Fehlte es nicht auch hier an konstruktiven Dialog und vernünftiger Abwägung?
Aber wir können nicht nur, wir sollten auch aus der Geschichte lernen. Denn Krisen, die eine besonnene Auseinandersetzung erfordern, gibt es immer wieder. Es toben Kriege, es sterben Menschen, es werden ganze Infrastrukturen zerstört und keine Seite sieht sich in der Lage, in einem respektvollen Dialog zu treten. Klar fällt es uns Menschen sehr schwer, diesen Weg aufgrund erlittenen Unrechts zu gehen, doch wird das Leid nicht geringer, wenn wir uns dem verweigern und in der Spirale der Gewalt verharren.
Daher ist es um so wichtiger, dass wir, jeder einzelne, schon damit anfangen, dem Nächsten im Gespräch respektvoll und mit der nötigen Demut zu begegnen. Wie viele Familien, Freundschaften und Nachbarschaften sind kaputtgegangen, weil es daran mangelt. Seien wir wieder offen für die ernsthafte, aber faire Diskussion, für die substanzielle Auseinandersetzung statt eines bequemen aber oberflächlichen Massen-Konsens. Sollten wir unsere Meinungsfreiheit verlieren, dann weil wir den respektvollen Dialog aufgegeben haben.
So möchte ich hier mit dem Zitat eines Atheisten schließen: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen.“ (Voltaire 1694-1778)
2 Gedanken zu „Mut zum Dialog!“
So schön sich das auch anhört, ich finde es doch recht naiv zu glauben, dass die Meinungsfreiheit noch da ist und wir einfach nur respektvoller miteinander umgehen müssen.
Eine Weihnachtspredigt eines Priesters im Bistum Görlitz hat doch gezeigt, wie die Realität aussieht: Es reichte, dass er Gender, Transgender, LGBTIQ usw. als seltsame, moderne Strömungen bezeichnete und schon geht der Shitstorm los statt eine „respektvolle“ Debatte. Und der Priester muss verschwinden. Das erinnert einem an Gestapo-Zeiten, wo die Priester auch verschwunden sind, wenn sie etwas sagten, was bestimmten Leuten nicht passte! Und die eigenen Leute (Diözesanbischof, Heimatabtei des Priesters) fallen den Mann auch noch in den Rücken! So geht es einen, wenn man die katholische Lehre verteidigt. Hätte er stattdessen Transgender und LGBTIQ als Gottgewollt dargestellt, dann wäre sicherlich alles prima – Häresie ist in unserer Kirche schon fest etabliert!
Liebe Elsa,
ich gebe Ihnen recht, dass das Verhalten des Bischofs und der Abtei nicht in Ordnung sind. Sie hätten doch hier die Chance gehabt, einen respektvollen Dialog zu beginnen, indem man klarstellt, dass es dem Priester hier um die katholische Lehre in Bezug auf Ehe und Familie ging die nunmal im starken Gegensatz zu den heutigen gesellschaftlichen Vorstellungen dazu steht. Aber unsere Kirche hier in Deutschland befindet sich zur Zeit in Deckung und geht daher nach Möglichkeit jeder Konfrontation aus dem Wege. Aber das ist nicht das, was Christus gefordert hat! Wir haben eben noch KEINE Gestapo-Zeiten, denn wenn man unbequeme Wahrheiten sagt, kann man schlimmstenfalls beruflich oder gesellschaftlich ausgeschlossen werden, aber – im Gegensatz zur damaligen Zeit – verliert man weder seine Freiheit noch sein Leben!
Es ist mir bewußt, dass der Verlust von Beruf oder gesellschaftlicher Anerkennung für nicht wenige ja auch schon existenzbedrohend sein kann. Deswegen sollte man gut überlegen, wie man auch heute für die Wahrheit Zeugnis ablegen kann, ohne gleich selbst dafür harte Konsequenzen zu tragen. Jesus sagte „seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt 10.16). Im Falle des Priesters hätte es sicherlich gereicht, klarzustellen, dass die heilige Familie uns zeigt, dass die klassische Ehe von Mann und Frau gottgewollt und das Leben von der Empfängnis an heilig ist. Also den Fokus auf das legen, was gottgefällig ist! Die, die es verstehen wollen, werden auch differenzieren können, was nicht dazu gehört.
Viele Grüße, Martin