Es ist oft ein Thema: Die hohen Zahlen der Kirchenaustritte und der starke Rückgang des Kirchenbesuchs. Das Gründe hierfür auch in der Kirche selbst zu suchen sind, ist vielen klar. Auch wir Christen sind oft versucht, uns an hitzigen Diskussionen zu beteiligen, was in der Kirche falsch läuft. Zu diesem Thema veröffentlichen wir den folgenden Text:
Die Zahlen kirchlicher Statistiken steigen seit Jahren, wenn es um Kirchenaustritte geht, und sie sinken, wenn sie Auskunft über das Leben in der Gemeinde geben. Wer die Situation nüchtern analysiert, der weiß, daß der Glaube in unserer Gesellschaft eine immer geringere Rolle spielt. Und die Alten, die der Kirche in guten wie in schlechten Zeiten die Treue gehalten haben, sterben weg.
Die kleiner werdende Zahl derer, die sonntags den Gottesdienst besucht, sich am kirchlichen Leben beteiligt und sich engagiert, wird langsam mutlos. Diese Resignation macht selbst vor Pfarrern und hauptamtlich angestellten Mitarbeitern keinen Halt. Wen wundert es da noch, dass nicht die Frohe Botschaft, sondern die Sorge um die Zukunft im Mittelpunkt steht.
Wir sind schnell dabei, die Ursache bei anderen zu suchen. Kommt am Arbeitsplatz, im Verein oder im Bekanntenkreis das Gespräch auf die Kirche, dann gehören wir selbst oft zu den unerbittlichen Kritikern. Mit welchem Erfolg? Wir verunsichern selbst diejenigen, die sich eigentlich von uns ein aufmunterndes Wort erhofft haben.
Selbstverständlich lässt sich vieles an der Kirche kritisieren, steht in den Gemeinden nicht alles zum Besten. Doch wer macht sich schon Gedanken darum, warum der Pfarrer so mutlos geworden ist und sich in die Verwaltungsarbeit geradezu flüchtet? Wie kommt es, dass oft nur noch so wenig von dem zu spüren ist, was der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief (9,16) so ausgedrückt hat: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige.“
Und woran liegt es, dass vom Sonntagsgottesdienst nicht mehr das ausgeht, was von der Predigt am ersten Pfingstsonntag die Apostelgeschichte (2,37) zu berichten weiß, dass es nämlich den Zuhörern „durch’s Herz ging“ und sie fragten: „Was sollen wir tun?“ Wir lassen uns viel zu viel von den Statistiken, den Trends der Zeit, der Meinung anderer beeinflussen. Das lähmt – den Pfarrer, den Haupt- und Ehrenamtlichen, das Gemeindeglied.
Zu sehr schon haben wir uns daran gewöhnt, dass der Pfarrer schon alles macht und im Griff hat. Viel zu wenig machen wir uns dabei bewußt, dass die Gemeinde nicht aus einem Oben und Unten, nicht aus einem Dienen und Bedientwerden besteht, sondern dass jeder Einzelne seine Gaben einzubringen hat in das, was wir Gemeinde nennen. Und dass wir uns an dem auszurichten haben, was der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer (12,11) über das Leben der Gemeinde sagt: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.“
Präziser lässt sich unser aller Verantwortung nicht zusammenfassen. Und wenn wir dieser Aufforderung folgen, dann fällt auch die ständige Angst um die Zukunft der Kirche und Gemeinde weg. Denn wir wissen, dass die Kirche nicht von uns abhängt, sondern dass Jesus Christus ihr Herr ist. Was für eine Befreiung. Eine Befreiung freilich, die uns auch in die Pflicht nimmt, die Erosion kirchlichen Lebens ernstzunehmen.
Denn auch für uns gilt das beschwörende Wort des Propheten Jeremia (22,29): „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort.“ Nur wer des Herrn Wort hört, gründet sein Leben auf einen festen Grund und gibt ihm eine tragende Mitte, die auch den Ängsten, Nöten, Zweifeln standhält. Wir müssen also wieder zurückkehren zum Eigentlichen, zum Predigen und Hören.
Wer sich darauf besinnt, der wird sich von den Zahlen nicht entmutigen lassen. Im Gegenteil. Wenn wir endlich wieder „brennend im Geist“ werden, wird die Gemeinde eine neue Anziehungskraft für die Menschen erhalten, die sich von ihr entfernt haben oder abseits stehen. Denn es geht nicht um Erfolgsmeldungen, sondern darum, dass Menschen zum Glauben finden und nicht verloren gehen.
(Quelle: Glaubenssachen – 100 Predigten für das Jahr – Autor: K. Rüdiger Durth)